In Zeiten von Billigairlines nach Berlin fahren? Muss man nicht machen, kann man aber: Wer auf übereifrige Jet-Setter, Früh-Aufspringer (obwohl das Flugzeug kaum den Boden berührt hat) verzichten will und keine Lust auf Stau an der Grenze, Stau in der Stadt und Stau auf der Autobahn hat, der ist hier genau richtig. Eine Hommage an das entschleunigte Reisen:
Es ist Sonntag, Anfang Dezember, die Sonne ist seit Stunden untergegangen und das Thermometer hat sich rund um den Gefrierpunkt eingependelt. Der Wiener Hauptbahnhof leuchtet vorweihnachtlich geschmückt, aber viele Menschen sind nicht mehr hier. Der Großteil der Studierenden aus den andern Bundesländern ist schon angekommen, der Wochenendreiseverkehr ist abgeklungen.
Doch heute ist etwas anders: Es liegt Vorfreude in der Luft. Auf Bahnsteig 9 haben sich an diesem Abend mehr Leute als sonst versammelt. Warum zur späten Stunde bei 0 Grad auf einem Bahnsteig rumstehen? Um kurz vor 22:00 Uhr wird klar, warum: Es bricht Aufregung aus. Kameras werden gezückt, eine kleine AktivistInnen-Gruppe entrollt ein Transparent, andere Reisende recken den Kopf, Sekt wird geköpft. Und dann fährt der Grund für das Gewusel ein. Blau gebrandet, bis zu 6 Wagons lang und eigentlich nichts Besonderes. Nichts Besonderes, wenn dieser Zug nicht nach Berlin fahren würde und somit eine Lücke zwischen den beiden größten deutschsprachigen Städten schließt, die jahrelang schmerzlich vermisst worden ist. In ein paar Minuten wird er also losfahren: Der erste Nachtzug – unser Nightjet – ins dicke B.
Partystimmung bei Umweltaktivisten wie bei Ravern auf der White Sensation
Umwelt – ist wichtig!
Soweit so gut: Es fährt täglich ein Zug in der Nacht und einer untertags von Wien nach Berlin und vice versa. Aber was bringt das dem Einzelnen? Der Umwelt-Nobelpreis geht sich noch nicht ganz aus. Denn diese zusätzliche Zugverbindung wird das Klima der Erde nicht im Alleingang retten, aber es ist ein kleiner Schritt. Einer von vielen, die wir alle gehen müssen, damit auch unsere Kinder und Enkerln noch halbwegs entspannt auf diesem Planeten leben können. Und falls die Moralkeule jetzt noch nicht überzeugend genug war: Wie leiwand ist es eigentlich im schönen Wien einzuschlafen und im verrückten Berlin aufzuwachen – welches andere Verkehrsmittel bietet dieses Highlight?
Das erste Mal ist doch immer am aufregendsten!
Wie ist das jetzt so, wenn man nach Berlin fährt und nicht fliegt?
Das Positive vorweg: Die Fahrt zum Flughafen spart man sich. Ihr kennt das… der Zeitplan vom Taxi, der Mama oder den ÖBB spießt sich ganz arg mit den eigenen Vorstellungen von Ankunfts- und gewünschtem Eincheck-Zeitpunkt. Wenn dann Uber deine Fahrt ablehnt und kein Car2Go oder DriveNow in der Nähe ist, dann hat man den Salat.
Da ist ein Abfahrtsort, der im Zentrum der Stadt liegt, optimal. Zur Not kann man zum Bahnhof spazieren. Angenehmer ist es aber mit den Wiener Linien, die mit gefühlten 1.000 Linien am Hauptbahnhof vorbeifahren – oder einfach mit der Wiener S-Bahn
So leer bekommt man den Wiener Hauptbahnhof selten zu Gesicht.
Am Bahnsteig angekommen steigt man dann ein – einfach so. Ticket in der Hosentasche ist vollkommen ausreichend. Man sucht sich sein reserviertes Abteil und macht sich für die Nacht bereit. An dieser Stelle sei angemerkt: Mit dem Nightjet fahren kommt keiner Übernachtung im Luxushotel gleich. Soll es auch nicht. Nachtzüge haben ein ganz eigenes Flair. Die MitarbeiterInnen von Newrest – diese netten Menschen, die einem fast jeden Wunsch von den Augen ablesen – tun alles für das leibliche Wohlbefinden, aber auf die Dusche muss man im Liegewagen trotzdem verzichten (vor der Abfahrt duschen funktioniert aber auch). Da spart man dann nicht nur CO2 sondern Wasser gleich mit
Zimmer reserviert, Roomservice inklusive
1x Berlin im rollenden Schlafzimmer
Wie man sich in einem kleinen Raum mit vielen Betten einrichtet, muss an dieser Stelle nicht groß erklärt werden. Zwei Stockbetten, auf 6qm, Klimaanlage, Licht/kein Licht und Fenster, die man öffnen kann Zumindest dann, wenn man im Liegewagen unterwegs ist. Die meisten waren auf Klassenfahrt in irgendeiner Frühstückspension – so ähnlich fühlt sich ein Nightjet-Abteil an. Nur ohne lautes Gelächter, Wahrheit oder Pflicht-Spielen und „Finger im Schlaf in warmes Wasser halten“-Scherze. Wobei: Wer weiß das schon so genau?
I have decided, at twenty-five, something must change!
Gewöhnungsbedürftiger ist, wenn man das erste Mal mit dem Nachtzug unterwegs ist, dass man sich an den – etwas wackeligen – Untergrund schon gewöhnen muss. Denn nicht jedes Bett wiegt einen in den Schlaf. Wenn sich das eigene Gehirn damit abgefunden hat, dass man im Liegen und schon halb-dösend durch die Landschaft gleitet, fallen die Augen auch gleich zu.
Der Morgen danach
Und dann ist man auch schon da – zumindest halb: Geweckt von einem leicht wolkenverhangenen – also gar keinem – Sonnenaufgang, tappt man im Halbschaf in den Nassraum und beginnt mit der Basic-Körperpflege. Zähneputzen, Haare richten, schnell die Schweiß-Hotspots refurbishen. Es ist nicht ganz die Luxusdusche mit Rainfall-Duschkopf und zusätzlichen Massage-Düsen, aber man fühlt sich wesentlich besser als nach jedem Walk-Of-Shame. Man hat hier die goldene Mitte ziemlich genau getroffen.
Bed&Breakfast in Polen
Die letzten Kilometer der Fahrt vergehen dann wie im Flug (HA!). Die Betten werden nach oben geklappt, das Frühstück serviert – frisch aufgebackene Semmeln *mmmh* – und schon fährt man in Berlin ein. Einmal quer durch, von Karlshorst über den Hauptbahnhof bis nach Charlottenburg bekommt man eine ordentliche Dosis Berlin im Vorbeifahren an den Sitzplatz geliefert. Was dann noch zu tun ist? In Ruhe seine sieben Sachen zusammenpacken entspannt und ausgeschlafen seinen Fuß auf Berliner Boden setzen: Bereit für alles…
Berlin-Charlottenburg – Endstation und Beginn in einem.
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