Über 100 internationale Fußballspiele leitete der FIFA Schiedsrichter Robert Schörgenhofer, der im Zivilberuf ÖBB Fahrdienstleiter am Güterbahnhof Wolfurt ist. Zuletzt pfiff er das Spiel Deutschland – Peru. Auf der Schiene wie auf dem Rasen hat der sympathische Vorarlberger, Jahrgang 1973, stets den vollen Überblick. Robert Schörgenhofer begann 1988 bei den ÖBB und ist seit 1993 Fahrdienstleiter. Wir haben unseren sportlichen Kollegen interviewt und ihn zu beiden verantwortungsvollen Tätigkeiten befragt.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Zusammen mit meinen Kollegen sorge ich im Zentralstellwerk Wolfurt für einen sicheren, reibungslosen Zugverkehr/Verschub im Güterbahnhof Wolfurt und den dazugehörigen Fernsteuerstrecken. Dazu kommt auch die Kundeninformation an den Bahnhöfen und Haltestellen auf der Strecke.
Herr Schörgenhofer, wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Aufgewachsen bin ich gleich neben einem Sportplatz. Da habe ich jede freie Minute lieber auf dem Fußballplatz als im Kindergarten verbracht. Später habe ich dann im Verein des FC Sulz im Nachwuchs und in der Kampfmannschaft gespielt.
Was hat Sie bewogen, die Ausbildung zum Schiedsrichter zu machen?
Ausschlaggebend war sicher eine zu Unrecht erhaltene Rote Karte. Übrigens die einzige in meiner Fußballerkarriere. Da hatten wir einen Schiedsrichter, der total überfordert war. Da dachte ich mir: Das kann ich besser. Und das war der Beginn meiner Schiedsrichterkarriere.
Erzählen Sie uns etwas über Ihre Tätigkeit als Schiedsrichter?
Eine höchst interessante und spannende Aufgabe! Dazu eine hervorragende Persönlichkeitsschulung. Managerfähigkeiten sind ebenso gefragt wie die eines Konfliktlösers. Eigentlich die beste Lebensschule. Jungen Leuten würde ich dieses Hobby sofort ans Herz legen.
Eine besondere Zugabe sind die internationalen Einätze. Wenn man Spiele der besten Fußballer der Welt leitet, dann kann man das als Lohn für die ganzen Mühen sehen.
Als Schiedsrichter steht man sehr im Rampenlicht. Was reizt Sie an dieser Tätigkeit?
Jedes Spiel ist anders, somit wird es nie langweilig. Ziel ist es, so wenig Fehler wie möglich zu machen. Fehlerfrei zu sein ist ein unmögliches Unterfangen. Aber der Wille dazu, es doch zu schaffen hat was für sich. Dazu kommt, dass man in schwierigen Situationen die Ruhe bewahren muss und sich nicht von der Hektik der Spieler und Zuschauer verunsichern lassen darf.
Welche Stationen haben Sie seither absolviert? National, international?
Eigentlich fast alle. Angefangen mit Nachwuchsspielen und allen Kampfmannschaftsstufen im Landesverband. Seit 1995 Linienrichter in der Bundesliga, dann ab 2000 Schiedsrichter in der 2. Bundesliga und seit 2004 Schiedsrichter in der 1. Bundesliga. Ab 2007 dann als FIFA Schiedsrichter. Unter anderem bei der U21 EM Endrunde in Dänemark 2011 und U20 WM Endrunde in Kolumbien, ebenfalls 2011. Dazu unzählige Länderspiele, Europa League Spiele und 3 Champions League Spiele.
Seit wie vielen Jahren?
Meine Schiedsrichterprüfung habe ich im März 1991 abgelegt.
Welches Spiel haben Sie zuletzt geleitet?
Deutschland – Peru
Was haben die ÖBB mit Fußball gemeinsam?
Beide bewegen die Massen. Die ÖBB tritt ja auch als Sponsor des ÖFB auf.
Wie bringt man zwei so verantwortungsvolle Funktionen – die des Fahrdienstleiters und die des Schiedsrichters – unter einen Hut?
Vom zeitlichen her kann ich mich nur bei den Kollegen bedanken! Kurzfristige dienstliche Verhinderungen werden durch sie kompensiert. Von der Arbeit profitiert das Eine vom Anderen. In hektischen Ausnahmesituationen bin ich es gewohnt, Ruhe und den Überblick zu bewahren. Somit eine win-win Situation für mich.
Welches Erlebnis in Ihrer Schiedsrichter-Karriere bleibt Ihnen unvergesslich?
Zum einen sicher das Länderspiel England – Wales im Wembley Stadion. Wenn 80.000 „God save the queen“ singen, bekommt man unweigerlich Gänsehaut. Aber auch das Stadtderby in Kairo war einzigartig. Fünf Stunden vor Spielbeginn war das Stadion bereits voll und es wurden keine Zuschauer mehr eingelassen. Offiziell waren 90.000 Zuschauer, inoffiziell sicher einige mehr im Stadion. Unglaublich, wie begeistert die Ägypter in Sachen Fußball sind.
Anzahl der Spiele bei denen Sie Schiedsrichter waren?
Ich selber führe darüber keine Statistik. In der 1. Bundesliga bin ich bei knapp 200, International bei 100 Spielen.
Welches waren ihre größten und bedeutendsten Spiele?
Da gibt es mittlerweile schon einige. Unter anderem das erste Champions League Spiel bei Chelsea, ein Europa League Spiel bei Liverpool, ein Länderspiel von England im Wembley Stadion, ein Stadtderby in Kairo vor 90.000 Zuschauern, und natürlich die U20 WM in Kolumbien. Das ist nur ein Auszug – die Liste ist noch viel viel länger.
Gibt es vor oder nach den Spielen persönlichen Kontakt zu Ronaldo und Co.?
Nein. Man sieht die Spieler 1,5 Std. vorher im Stadion, oder spätestens beim Aufwärmen.
Wie laden Sie Ihre Batterien auf? Gibt es dafür einen speziellen Kraftort in Ihrer Heimat?
Joggen ist für mich die beste „Medizin“. Da kann ich Abschalten und den Kopf frei bekommen. Positiver Nebeneffekt, es ist zugleich eine Trainingseinheit.
Was macht einen guten Fahrdienstleiter aus? Und über welche dieser Eigenschaften sollte auch ein Schiedsrichter verfügen?
Bei Störfällen oder außergewöhnlichen Ereignissen Ruhe und Übersicht zu bewahren. Nicht in Hektik verfallen. Multitasking-fähig zu sein. Nicht anders verhält es sich als Schiedsrichter. Da kann eine Situation etwas auslösen, die genau diese Eigenschaften erfordert.
Eine Frage noch zum Abschluss. In Fachkreisen bezeichnet man Sie als Top-Schiedsrichter Nr. 1 in Österreich. Wie gehen Sie damit um?
Ich denke ich bin immer noch der Selbe wie vor Jahren. Es entspricht nicht meinem Naturell, mich selber auf einen Sockel zu stellen oder mit meinen Spielen zu prahlen. Persönlich bin ich schon stolz auf das, was ich als Schiedsrichter erreicht habe. Aber hier ist auch viel meinem Ehrgeiz geschuldet. Aufgeben gibt es für mich nicht!