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Motor-Tuning einmal anders

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Sie sind das Herz jeder Elektro-Lokomotive. Obwohl die beeindruckenden Maschinen auf den ersten Blick unverwundbar wirken, muss von Zeit zu Zeit ihre Wicklung erneuert werden.

Eine Arbeit, die viel Kraft, Erfahrung und jahrelanges Know-how erfordert

Ein Fahrmotor einer Taurus-Lokomotive beeindruckt nicht nur durch seine Leistung, sondern auch durch seine Dimensionen:
1.630 Kilowatt stark,
2.775 Kilogramm schwer und
mit einem Durchmesser von mehr als einem Meter.

Vier Stück davon sind in einem roten Bullen eingebaut und beschleunigen die Lok dabei im Planbetrieb mühelos auf bis zu 230 Stundenkilometer. Und obwohl so ein Motor auf den ersten Blick ziemlich unverwundbar wirkt, gibt es doch Dinge, die ihm ziemlich zusetzen können. Schmutz, Feuchtigkeit sowie hohe Temperaturbelastungen oder elektrische Spannungsspitzen etwa können den Kraftprotz schon mal lahm legen.

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Die Wicklungen eines Fahrmotors werden mitunter stark beansprucht. Motorströme von bis zu 690 Ampere können im Betrieb die Kupferstäbe im Motor auf 200 Grad Celsius erhitzen.

Winter setzt Motoren zu

Das Wechselspiel von Kälte und Wärme lässt in der Imprägnierung des Motors feine Risse entstehen. Dringt nun zu viel Schmutz oder Feuchtigkeit in den Motor ein, gibt die schwächste Stelle der Isolation nach. Dann kann es zu einem elektrischen Überschlag im Motor kommen, bei dem nicht selten die Wicklung zerstört wird.

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Speziell im Winter ist ein markanter Anstieg solcher Schäden zu beobachten. So hat dichter Flugschnee nicht erst einmal für so manche Sonderschicht unseren Werkstätten gesorgt. Verbesserungen, wie zum Beispiel eine stärkere Isolierung der einzelnen Wicklungsstäbe, zusätzliche dichtende Deckbänder an den Spulen, Decklackierungen über der Vakuum-Druckimprägnierung des Motors oder Isolationsbeilagen zur Verlängerung des Kriechweges bei der Stator-Wicklung haben eine spürbare Verbesserung der Isolationsfestigkeit und damit eine Verringerung der Motorschäden gebracht.

Jeder Motor wird von den KollegInnen der Werkstätten einer genauen Eingangsprüfung unterzogen, bei der mögliche Schäden festgestellt werden. Sie kümmern sich danach auch um die erforderlichen Reparaturen oder etwaige Verbesserungen. Stellen sie aber einen größeren Wicklungsschaden, muss dann die Wicklung des Stators (Gehäuse) und/oder des Ankers (rotierender Teil) komplett erneuert werden.

Bei der Neuwickelung eines Fahrmotors sind zwei Dinge unverzichtbar: Sauberkeit und Präzision. Es dürfen keine noch so kleinen Fremdkörper in den Motor gelangen und das Einlegen und Verlöten der Wicklung erfordert höchste Genauigkeit.

Die Reparatur des Motors beginnt mit dem Entfernen der schadhaften Wicklung. Diese wird zwölf Stunden lang bei Temperaturen von bis zu 400 Grad Celsius abgeschwelt. Danach wird die Wicklung entfernt, das Blechpaket vollständig ausgeräumt und gründlich gesäubert. Danach wird zuerst die Isolation in die gereinigte Nut eingelegt, gefolgt von der vorbereiteten Wicklung, die größtenteils im Werk Linz selbst angefertigt wird. Mit Epoxidstreifen werden die einzelnen Nuten verschlossen und danach die Wicklung mit einer Spannung von 6.200 Volt gegen Masse geprüft.

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Wicklungen verschalten

Als nächster Schritt werden Stufe für Stufe die Wicklungen miteinander verschaltet. Keine leichte Aufgabe, wenn man sich die zahllosen Kupferstäbe, die aus dem Motorgehäuse ragen, vor Augen hält. Ein Taurus-Motor enthält immerhin sechzig Wicklungsspulen. Mit Polaritäts- und Widerstandsprüfungen wird daher exakt geprüft, ob die einzelnen Spulen richtig verbunden sind. Erst dann werden die einzelnen Anschlüsse auf dem Schaltring verlötet und jede Lötstelle danach manuell isoliert. Zudem wird auch noch der Wickelkopf mit mehreren Bandagen gestützt und ausgerichtet. Nach einer weiteren elektrischen Prüfung werden Stator und/oder Anker unter Vakuum mit Harz imprägniert und dieses zwölf Stunden lang bei festgelegtem Temperaturverlauf mit bis zu 160 Grad Celsius ausgehärtet. bevor Passflächen, Gewinde und Anschlüsse nochmals gereinigt werden.

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Zum Abschluss muss das komplette Motorgehäuse aber noch einmal überprüft werden. Erst nach bestandener Hochspannungsprüfung ist der Stator aber dann endgültig „Geprüft und frei“. Dann wird er zum Montageteam geschickt, wo der Motor von der Mannschaft fertig zusammengebaut wird. Und nach den Schlussprüfungen und einem Probelauf im Prüffeld ist der Motor wieder einsatzbereit für seine nächste Reise.

Instandhaltung

Im TS-Werk Linz werden die Motoren und Generatoren sämtlicher Elektrolokomotiven, E-Triebwagen und dieselelektrischer Fahrzeuge aufgearbeitet.

Egal ob es sich dabei um Kollektormotoren, wie sie noch bei der Lokreihe 1144 oder den S-Bahn- Zügen der Reihe 4020 eingebaut sind, oder um Motoren neuerer Technologie, sogenannten Drehstrom-Asynchronmotoren, handelt, die beispielsweise Taurus-, Herkules- und Talentflotten sowie auch die elektrischen Verschubloks antreiben. Zählt man alle zusammen, werden somit mehr als 4.500 Fahrmotoren und Generatoren der unterschiedlichsten ÖBB-Fahrzeuge in Linz instand gehalten. Pro Jahr werden mehr als hundertfünfzig Statoren oder Anker neu gewickelt. Die dafür benötigten Wicklungen werden größtenteils im Werk Linz selbst geformt und isoliert. Für einen Taurus- Motor werden dabei für den Stator rund 2.000 Meter oder 170 Kilogramm vorisoliertes Wickelkupfer verwendet. Eine Neuwicklung eines Taurus-Motors dauert durchschnittlich vier Wochen.

Taurus-Motor

Technische Daten

Fahrmotor:
DA M 1630 (Rh1016/116),
DA M 1601 (Rh1216)

Typ: Drehstrom-Asynchronmotor

Eingebaut in:
Taurus 1016, 1116, 1216

Spannung: max. 2.027 Volt

Stromaufnahme: max. 690 Ampere

Leistung: 1.630 Kilowatt

Gewicht: 2.775 Kilogramm

Wicklungsanzahl im Stator: 60 Wicklungen

Wicklungsstäbe im Rotor: 48 Stäbe in Nuten

Gesamtstückzahl bei den ÖBB: 1.528 Stück (im täglichen Betriebseinsatz)


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