Hinter der schlichten Typenbezeichnung M 62 verbirgt sich ein richtiger Star auf Schienen. Ab 1964 sollte diese Lokomotivgeneration den Betrieb in den Ostblockstaaten vereinheitlichen.
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe – RGW. Dahinter verbirgt sich eine internationale Organisation von sozialistischen Staaten unter der Führung der Sowjetunion. 1949 als sozialistisches Gegenstück zum Marshallplan und zur Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet, sollte der RGW für eine bessere wirtschaftliche Spezifizierung der Wirtschaftsleistung der sozialistischen Staaten sorgen. Diese Spezialisierung setzte hauptsächlich auf Vereinheitlichung und damit verbunden auf die Produktion von Wirtschaftsgütern in hohen Stückzahlen. Im Wesentlichen sollten so auch die Produktionskosten gesenkt werden.
Wirtschaftlich stark aufgestellte Staaten wie die Sowjetunion, die DDR, die Tschechoslowakei und Ungarn sollten die schwächeren Staaten wie Bulgarien, Rumänien, Kuba usw. ökonomisch unterstützen. Für die Bahnen dieser Länder bedeutete dies, dass im Speziellen Lokomotiven gebaut werden sollten, die in großen Stückzahlen in den verschiedensten Ländern zum Einsatz gelangen. Besonders angesprochen war dabei die starke Lokomotivindustrie in der Sowjetunion, die alleine schon für das eigene Land einen enormen Bedarf an Lokomotiven deckte.
Europaweite Verdieselung
Der stetige Rückzug der Dampflokomotiven war im Fokus der sich inflationär entwickelnden Diesellokindustrie. Da die Bahnstrecken in Europa oft nur leichte Achslasten zuließen, setzte man noch immer auf die altehrwürdigen Dampfloks oder auf leichte und nicht so sehr leistungsfähige Dieselloks.
Mit der Erneuerung und dem Wiederaufbau des europäischen Streckennetzes und der Ausweitung der Verkehrsdienstleistungen stieg der Bedarf an leistungsfähigen Diesellokomotiven. Während in den 1950er-Jahren die amerikanische Lokindustrie bereits erste Liefererfolge in Europa verbuchen konnte, kam die Sowjetunion zunehmend unter Zugzwang, zumal auch die RGW-Staaten Ungarn und Jugoslawien Lokomotiven aus Schweden und den Vereinigten Staaten bezogen.
Kommt die RGW-Einheitslok?
1964 erblickte in Luhansk (heutige Ukraine) die erste sechsachsige Großdiesellok mit einer installierten Leistung von 1.471 kW das Licht der Eisenbahnwelt und ging als M 62 auf große Fahrt. Die mit einem KolomnaZwölfzylinder-Zweitaktmotor ausgerüsteten sechsachsigen Lokomotiven verfügten über einen elektrischen Einzelachsantrieb.
Um vor allem den europäischen Markt in den verschiedenen sozialistischen Ländern bedienen zu können, wurden die M 62 im kleineren europäischen Lichtraumprofil gebaut. Außerdem wurden die Loks bereits auf den Einbau der im restlichen Europa gebräuchlichen Zug- und Stoßeinrichtung (seitliche Puffer, Schraubkupplung) vorbereitet. Um noch stärkere Fahrzeuge bieten zu können, wurde nicht an eine Verstärkung der Antriebsleistung gedacht, sondern es wurden einfach die Loks als Mehrsektionsloks bis zu einer dreiteiligen Version, der 3 M 62, geliefert.
Von der M 62 wurden allen voran von der DDR, der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn große Serien beschafft. Aufsehen erregte vor allem der anfangs nicht schallgedämpfte Dieselmotor, der in der DDR den Lokomotiven bald den Spitznamen „Taigatrommel“ einbrachte (in der Tschechoslowakei wurden die Loks übrigens „Sergej“ gerufen …).
Weitere Fahrzeuge wurden nach Kuba, Nordkorea und später auch in den Iran geliefert. Aber auch die Konkurrenz schlief nicht, denn nahezu zeitgleich wurden ebenfalls sechsachsige Loks mit einem ähnlichen Leistungsspektrum in Rumänien entwickelt. Selbst in der Sowjetunion wurden mit den speziell auf europäische Normen ausgelegten und wesentlich leistungsfähigeren Reihen 130 bzw. 131 Alternativen zu den M 62 angeboten. Damit war das Projekt einer RGW-Einheitslok im Wesentlichen vom Tisch.
Einsatzgebiete
Mit der GySEV, der Raab-Ödenburg-Ebenfurter Eisenbahn, hatte auch eine heimische Bahnverwaltung sechs Loks der Reihe M 62 im Bestand. Nach der Ostöffnung wurden diese sogar in unserem Streckennetz vor Güter- und Bauzügen eingesetzt. In Deutschland und in Tschechien rollten die Loks bis Mitte der 1990er-Jahre auf das Abstellgleis. Wobei in Polen und von privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen die M 62 nach wie vor verwendet werden.
In Ungarn und in den baltischen Staaten zählen die M 62 noch immer zum Betriebsalltag, ebenso in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Besonders kurios sind aber Umbauten zu elektrischen Lokomotiven, wie sie in Nordkorea oder Georgien unterwegs sind.
Diese kurze Abhandlung kann maximal einen globalen Überblick über diese herausragende Lokomotive geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – es wäre einfach zu umfangreich. Dafür entschuldige ich mich bei Ihnen schon jetzt, sehr geehrte Leserinnen und Leser.
Großdiesellok M 62
Baujahre: 1964–1994
Leistung: 1.471 kW
Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
Gewicht: 115,1 t
Achsfolge: Co‘Co‘