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Born in the USA

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Neue Großdiesellokomotiven braucht das Land. Im Gegensatz zur damaligen Deutschen Demokratischen Republik beschafften die Jugoslawischen Staatsbahnen neue sechsachsige Diesellokomotiven nicht von der UdSSR, sondern mitten im Kalten Krieg vom festgestellten Gegner der östlichen Staaten, von den USA.

Dieses Mal befassen wir uns mit der großflächigen Verdieselung von Ost- und Südosteuropa außerhalb der Sowjetunion in Jugoslawien, das sich vom „östlichen Mainstream“ immer schon etwas abhob.

Wie überall in Europa war auch hier der Rückzug der Dampftraktion spürbar. Wurden von den sowjetischen Besatzungstruppen in Österreich zahlreiche nach dem Zweiten Weltkrieg verbliebene Dampflokomotiven nach Jugoslawien zurückgegeben oder auch verkauft, schauten sich auch dortzulande die Eisenbahnen nach modernen Diesellokomotiven um.

Der Markt war in ganz Europa gigantisch, denn es mussten tausende Dampfrösser in irgendeiner Art und Weise ersetzt werden. Während die M 62 aus Luhansk mehr oder weniger erfolgreich an einige Osteuropäische Staaten verkauft wurde, witterten auch die Amerikanischen Lokfabriken ihre Chance, speziell für den Europäischen Markt entwickelte Lokomotiven an den Mann zu bringen. Gemeinsam mit dem deutschen Partner Henschel wurde von General Motors eine nach europäischen Baunormen entwickelte vierachsige Diesellok zu Vorführfahrten auf die Reise geschickt. Die 1953 gebaute 7077 „Demonstrator“ tourte bis 1957 durch halb Europa, bis sie letztlich von den Schwedischen Staatsbahnen übernommen wurde.

„Spuren“ hinterließ die Lok zusätzlich zu Österreich (Reihe 2050) vor allem in Jugoslawien. Die Jugoslawischen Staatsbahnen orderten bei General Motors mehrere hundert sechsachsige Großdiesellokomotiven, die auch heute noch zum großen Teil im Einsatz stehen.

Maximum Power. Die 64 Loks der Reihe 664-0 wurden für die Direktionsbereiche in Kroatien und den Kosovo gebaut. Im Einsatz stehen heute nur mehr die kroatischen Fahrzeuge als Reihe 2062 und in der Umbauversion 2062-1. (c)ÖBB/Posch

Maximum Power. Die 64 Loks der Reihe 664-0 wurden für die Direktionsbereiche in Kroatien und den Kosovo gebaut. Im Einsatz stehen heute nur mehr die kroatischen Fahrzeuge als Reihe 2062 und in der Umbauversion 2062-1. (c)ÖBB/Posch

JZ 661 „Kennedy“

Als 1960 mit der 661-001 die erste Lok von General Motors Electro Motive Division (EMD) aus La Grange (Illinois) nach Jugoslawien geliefert wurde, brach in unserem südöstlichen Nachbarland eine neue Ära an. Die bislang nahezu flächendeckend eingesetzten Dampflokomotiven wurden von nicht weniger als 218 gelieferten Fahrzeugen binnen kurzer Zeit zurückgedrängt. Es folgten bis 1985 weitere 161 Lokomotiven in verschiedenen Baureihen, die gemeinsam mit der fortschreitenden Elektrifizierung einen nahezu vollständigen Ersatz der Dampftraktion auf Hauptbahnen zur Folge hatte.

Dennoch versuchten russische Lokfabriken auch in Jugoslawien Fuß zu fassen. Dies gelang allerdings nur bedingt, denn bis auf die Ablieferung von zwei kleineren Serien von Rangier- und Streckenlokomotiven blieben die JŽ (Jugoslovenske Železnice) den amerikanischen Lieferpartnern treu. Parallel zur Beschaffung der 661 versuchte die eigene Lokomotivschmiede den Bau einer eigenen, dieselelektrisch angetriebenen Großdiesellok, der 662. Die wenigen gebauten Fahrzeuge verfügten jeweils über zwei JW 600 Dieselmotore (Lizenz Jenbacher) und wurden von Bosnien aus in Richtung Beograd eingesetzt. Die Lokomotivfabrik Masinska Industrija Nis (MIN) entwickelte zwei weitere, vierachsige Streckenloks. Sämtliche Eigenkonstruktionen waren aber weniger erfolgreich und es blieb bei den Hauptlieferanten aus den USA, die mit dem Lokhersteller Đuro Đakovic aus Slawonski Brod einen idealen Lizenzpartner ins Boot holten.

Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass auch die Montreal Locomotive Works (MLW) gegen Ende der 1960er Jahre einen Auftrag zur Lieferung von 20 Loks der Reihe 665 für die kurz vor der Eröffnung stehende Bahnstrecke Beograd-Bar an Land ziehen konnte. Die 665 waren aber kaum länger als zehn Jahre in Betrieb, denn die Neubaustrecke wurde gegen Ende der 1970er Jahre elektrifiziert.

Amidiesel in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens

Nach wie vor sind die imposanten amerikanischen Lokomotiven am Balkan heimisch, wenn auch die Stückzahl durch den Zerfall Jugoslawiens und der teilweisen Modernisierung der Lokflotten stark dezimiert wurden. Während die 661 bis auf Kroatien noch verbreitet im Einsatz stehen, findet man die soundgewaltigen 664-1 und 664-0 nur in Slowenien und Kroatien. Von den ehemals stärksten Loks der Reihe 663 fahren lediglich noch zwei für die Kroatische Staatsbahn. Die leichteren 644 sind bis auf Kroatien und Mazedonien in allen Nachfolgestaaten vertreten. Die 645 fahren in Kroatien und neu auch im Kosovo. In Serbien fristen noch die vier (zumindest eine ist noch betriebsfähig) ehemaligen Tito Loks der Reihe 666 ihr Dasein. Die 666 lösten übrigens die drei nicht minder interessanten, von Krauss Maffei in Deutschland gebauten, Tito-Loks der Reihe 761 ab.

Übrigens, in Zagreb werden auch heute noch Diesellokomotiven nach amerikanischem Vorbild gefertigt. Gemeinsam mit der US-Firma NREC und Đuro Đakovic wurden bei TZV Gredelj in den letzten Jahren zahlreiche Neubau- aber auch „Recycling“-Loks gefertigt. Die letzten Lieferungen gingen zum Beispiel an die Israelischen und Marokkanischen Staatsbahnen. Natürlich beschafften die Jugoslawischen Staatsbahnen auch zahlreiche Lokomotiven schwächerer Leistungsklassen, vornehmlich im Inland und bei Ganz in Ungarn.

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