Das Zugfahren war lange Zeit tägliche Routine für mich. Ob nach Melk oder später nach Amstetten – der Schulweg wurde fast ausschließlich mit dem Zug bewältigt. Ich bin früher nie geflogen, sondern habe auch alle längeren Reisen mit dem Zug unternommen; nach Kiel zum Beispiel zum ersten Auslandsengagement mit dem Nachtzug. Im Abteil lauter fremde Menschen. Von dort wieder zurück mit Liebeskummer im Gepäck. Jahre später von Wien nach Köln, von Köln nach Kopenhagen wieder mit Liebeskummer, wieder mit lauter fremden Menschen, die mich ganz selbstverständlich aufgefangen und getröstet haben, so als ob wir uns schon lange Zeit kennen würden. Die mir zum richtigen Mann ge- und vom falschen Mann abgeraten haben. Sie hatten recht, heute bin ich mit ihm verheiratet.
Ein Gastbeitrag von Ursula Strauss
Ich kann mich an kein einziges Gesicht erinnern, vielleicht bin ich an dem einen oder anderen ja irgendwann zufällig vorbeigelaufen oder bin mit ihm oder ihr wieder im Zug gesessen. Die Welt ist ja bekanntlich klein. Die Situation werde ich nicht vergessen und auch wenn ich keine Namen mehr weiß, so bin ich diesen Reisegefährten bis heute dankbar. Meistens hatte ich Glück und habe interessante Menschen kennengelernt. Doch manche Begegnungen waren unangenehm. Auch das hat Spuren hinterlassen und mich verändert. Während ich also jetzt hier sitze und diesen Text schreibe, wird mir bewusst, wie viele prägende Erlebnisse ich tatsächlich mit dem Zugfahren verbinde.
Aber ob gut oder nicht so prickelnd – irgendwie fand ich es immer spannend, wild zusammengewürfelt dasselbe Ziel zu haben oder zumindest für kurze oder auch längere Zeit in dieselbe Richtung unterwegs zu sein, mit unterschiedlichen Agenden in der Tasche, mit Wünschen, Hoffnungen, Sorgen und Erwartungen. Smartphones gab es damals noch nicht, die Leute haben sich wirklich miteinander unterhalten. Das war manchmal leicht, manchmal schwerer, aber es war immer der gegenseitige Versuch, sich selbst und dadurch auch dem anderen die Reise kurzweiliger zu gestalten, um die Zeit bis zur Ankunft so angenehm wie möglich zu verbringen. Und mitunter können diese Fahrten auch lebensverändernd sein.
Zur Person: Ursula Strauss
Nach ihrer Matura in Amstetten zog es die Niederösterreicherin Ursula
Strauss mit 19 Jahren nach Wien, wo sie die Schauspielschule am Volkstheater besuchte. Zahlreiche Engagements an Theatern folgten, u. a. in Wien, Köln und Kiel. Anfang der 2000er- Jahre begann ihre Film- und Fernsehkarriere. Die gefeierte und preisgekrönte Schauspielerin ist aus Produktionen wie „Tatort“, „SOKO Kitzbühel“ und „Aufschneider“ bekannt.
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