Lehmartig. Fahl. Grau. Zäh. Eingeengt im Inneren und doch fähig zu gehen, fähig sich zu bewegen, schlendert der Verliebte Richtung “Treffpunkt”. Das Herz fängt an zu klopfen, noch wenige Sekunden bleiben bis zum erhofften Wiedersehen. Endlich. Sie steht wieder da und wartet auf den Bus.
Ein Gastbeitrag von Ibrahim Taluk
Statt jedoch wieder atmen zu können, bleibt die Luft weg. Der fahle Geschmack ist noch immer im Mund. Die Dynamik seiner Bewegungen fühlt er noch immer so als wäre er ein Lehmklumpen. Die einzige Veränderung ist das Grau. Das ist nun hinfort und sämtliche Farben erstrahlen zeitgleich. Welcher Zauber ihn auch im Bann hat, er ist zu mächtig, dass der Verliebte widerstehen kann. Er muss ihr folgen, all den Mut aufbringen und ihr endlich in die Augen schauen. Die Menschen stehen von ihren Sitzplätzen auf. Dadurch merkt der Verliebte, dass der Bus bald da sein muss. Sie steigt ein, er folgt ihr.
Überall freie Plätze, ein Anblick, der sich nur zu dieser Uhrzeit in der Früh anbietet. Die Göttin, die farbenspendende, sie setzt sich auf einen Platz und die Schüchternheit überkommt den Verliebten, dass er seine Vorsätze vergisst und sich zwei Plätze hinter ihr hinsetzt. Seine Gedanken kreisen um seine Niederlage und seiner erneuten Unfähigkeit etwas zu tun. Nun heißt es wohl, wieder die 7 Stationen zu fahren, nur um in ihrer Nähe zu sein. Mittlerweile wurde ihm dadurch eine Gegend sehr vertraut und bekannt, die früher ganz fremd war. Sämtliche Stationen kannte er nun auswendig. Auch die Leuchtreklame, Geschäfte, die Sparverkäuferin, die stets um die gleiche Zeit ihre Zigarette beim Hintereingang rauchte. Alles war in seinem Kopf gespeichert. Alles für die Angebetete.
Nach drei Stationen füllte sich der Bus und alle Plätze waren besetzt. An diesem Tag hatte unser Verliebter weniger Glück. Vor ihm saß ein langer Mann und erschwerte die Sicht. Hätte er sich doch näher hingesetzt, doch nun war es zu spät. Diese zwei weiteren Stationen dauerten eine Ewigkeit und die Ungeduld wurde zu Zorn. Dieser entwich erst nach dem Aussteigen des Mannes. Den freien Platz ergatterte ein Junge. Zwei schelmenhaft auftretende Jungs waren nun vor ihm. Von der Größe her ungefähr 10 Jahre alt. Nach einem Gemurmel und Flüstern der beiden, die Tat. Ein Griff in die Schultasche, ein Herausholen der Schere. Die Augen des anderen Jungen weiten sich und das Vorhaben des kleinen Schurken wird klar. Nicht nur die Augen des kleinen Gaunerkomplizen sind erweitert, auch die unseres Verliebten. Diese goldenen Haare. Weg? Nein! Niemals! Ohne groß zu überlegen, ruft er: “Herst, geht‘s no?!” Der bestimmte Ton erstaunt ihn selbst. Die Menschen im Bus schauen zu ihrer Richtung und bestrafende Blicke sorgen dafür, dass die Schere weggepackt wird. Die Angebetete, verwirrt, erblickt den Verliebten. Die Blicke treffen sich und ein Lächeln folgt. Wohl den Ärger gerochen habend, sind die beiden Buben weg von dem Platz. Die Angebetete bedankt sich mit den Worten. “Ich bin Anna.” Der Verliebte: “Hey, ich bin Jan.” So kam es zur Begegnung zwischen zwei Menschen, die zwar alleine in den Bus einstiegen, jedoch zweisam ausstiegen.