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1991: Ein Jahr das die Europakarte veränderte

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Vor 25 Jahren zerfiel Jugoslawien. Das bedeutete eine völlige Neuordnung Südosteuropas mit teilweise verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Wirtschaft. Eine ganz besondere Rolle nahm damals die Bahn ein. In den „heißen“ Tagen war die Verbindung zwischen Jesenice und Rosenbach durch den Karawankentunnel die einzige zwischen Österreich und Slowenien, die für flüchtende Urlauber einigermaßen sicher passierbar war.Nach dem Tod des jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito am 4.5.1980 kam Jugoslawien nicht mehr zur Ruhe. Verschiedene innerstaatliche Konflikte sorgten zunehmend für Unmut und letztlich auch für Unabhängigkeitsbewegungen der einzelnen Länder. Zu jener Zeit war der gesamte Osten Europas im Umbruch und erfasste auch den Balkanstaat. Im Dezember 1990 sprachen sich 88,5 % der Slowenen für die Unabhängigkeit aus. Nach vielerlei Auseinandersetzungen proklamierten Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit als eigene Staaten und übernahmen noch am selben Tag die Hoheit über ihre Landesgrenzen. Nur zwei Tage später fielen die ersten Schüsse, der 10-Tage-Krieg um Sloweniens Unabhängigkeit begann. Ein Krieg der die Balkanländer bis 1999 in Atem hielt und zum Zerfall Jugoslawiens führte.

Krieg mitten in der Hauptreisezeit

Durch Angriffe der Jugoslawischen Volksarmee waren die Hauptverkehrsrouten teilweise unterbrochen und um die Grenzstationen zum benachbarten Ausland entbrannten zum Teil heftige Kämpfe. Insgesamt standen sich in Slowenien etwa 30.000 Soldaten der Slowenischen Territorialarmee und etwa 35.000 Soldaten der jugoslawischen Volksarmee gegenüber. Letztere verfügten über schwere Waffen.

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Damals rollte alles was Räder hatte, um den Personen- und Güterverkehr aufrecht zu erhalten. Die Deutsche 110.326 brachte zuvor einen Schnellzug nach Rosenbach um dann mit einem Güterzug nach Villach zurückzukehren. Jedes Gleis in Rosenbach war notwendig, um bei Bedarf „Flüchtlingssonderzüge“ aufnehmen zu können. Foto: (c)ÖBB/ Archiv Posch

Die Bahn bildete unter anderem das Rückgrat für die Heimreise der Touristen. Foto: (c)ÖBB/ Archiv Posch

Aufmarsch in Österreich

Auch das Österreichische Bundesheer wurde alarmiert und große Teile der Truppe mussten in kurzer Zeit an die Grenze zu Slowenien verlegt werden. Ohne die Leistungsfähigkeit der Bahn wäre der Truppenaufmarsch binnen weniger Stunden gar nicht möglich gewesen. Nicht weniger als 18 Militärzüge wurden in die Bereitstellungsräume bei Völkermarkt-Kühnsdorf und Spielfeld-Straß geführt. Eine logistische Herausforderung, denn nur wenige Wochen zuvor startete am 2. Juni 1991 der „Neue Austro Takt – NAT 91“, der viele Ressourcen band. Dennoch beförderten die ÖBB in diesen dramatischen Tagen tausende Soldaten und schweres Gerät zum Schutze des Landes.

Foto: (c)ÖBB/ Archiv Posch

Der Binnen-Güterverkehr musste aber auch noch abgewickelt werden. Das und vor allem die unsichere Informationslage waren große Herausforderungen für die Kollegen damals.Foto: (c)ÖBB/ Archiv Posch

Der Binnen-Güterverkehr musste aber auch noch abgewickelt werden. Das und vor allem die unsichere Informationslage waren große Herausforderungen für die Kollegen damals.Foto: (c)ÖBB/ Archiv Posch

Bahn als Rückgrat für die Urlauberrückreise

Mit gemeinsamer Kraftanstrengung boten die ÖBB und die Jugoslawischen Staatsbahnen JŽ für die in Slowenien unfreiwillig gestrandeten Urlauber eine Rückreisemöglichkeit ab Lesce Bled an. Bereits am 29.6.1991 erreichten erste Rückreisezüge in Rosenbach Österreichischen Boden. Ein besonders herausragender Zug wurde von einer ÖBB 1245 mit einem Wagen aus dem JŽ -Nostalgiezug und vier Autotransportwagen geführt.  Die Bahngrenzübergänge Spielfeld und Bleiburg blieben infolge von Kampfhandlungen auf slowenischer Seite gesperrt. Um eine Notevakuierung rasch zu ermöglichen, wurde in Jesenice ein ständig abfahrbereites ÖBB-Triebfahrzeug und ein Mitteleinstiegswagen vorgehalten. Die Notevakuierung erfolgte schließlich am 27.6. nach einem Fliegeralarm. Kampfflieger machten Kurs auf Jesenice und sollten den Bahnhof Jesenice und in weiterer Folge das Südportal des Karawankentunnels angreifen. Tatsächlich wurden mehrere Raketen in Richtung Tunnelportal abgefeuert, die aber schon von den Piloten in unbewohntes Gebiet hoch über dem Portal gelenkt wurden.

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Der erste mit einer JŽ-Diesellok bespannte Zug erzeugte beim Österreichischen Militär größte Nervosität: Die sehr lauten Motorgeräusche der Loks und die unklare Informationslage irritierten die Österreichischen Soldaten derart, dass sie anfänglich einen Jugoslawischen Panzerangriff durch den Tunnel vermuteten… Foto: (c)ÖBB/Archiv Posch

 

Der Gemeinschafts- und Systemwechselbahnhof Jesenice war übrigens der einzige Bahnhof in den „Westen“, der während des gesamten Krieges geöffnet blieb. Da keine Österreichischen Lokomotiven mehr nach Slowenien fuhren griff man auf eine ungewöhnliche Maßnahme zurück: Zwischen Jesenice und Rosenbach setzten die JŽ ihre Großdieselloks ein, welche für mehrere Tage den Gesamtverkehr abwickelten. Nach nur fünf Stunden Stillstand konnte am späten Nachmittag des 27.6. der Bahnbetrieb durch den Karawankentunnel wieder aufgenommen werden.

Der erste mit einer JŽ-Diesellok bespannte Zug erzeugte beim Österreichischen Militär größte Nervosität: Die sehr lauten Motorgeräusche der Loks und die unklare Informationslage irritierten die Österreichischen Soldaten derart, dass sie anfänglich einen Jugoslawischen Panzerangriff durch den Tunnel vermuteten… Als dann eine grüne GM-Lok der Reihe 661 aus dem Tunnel schaute, war die Erleichterung sehr groß. In der Folge wurde mit dem Militär vereinbart, dass wenn ein Zug durch den Tunnel geführt werden sollte, zuerst die militärische Einsatzleitung zu verständigen sei. Die drei eingesetzten Maschinen (JŽ 661-164, 664-114 und 664-117) fuhren grundsätzlich mit JŽ-Personal. Beim Südportal wurde kurz angehalten und ein ÖBB-Lotse stieg zu. Ermöglicht wurde dies durch die ausgezeichneten Kontakte der Führungskräfte der Bundesbahndirektion Villach zu den Jugoslawischen Kollegen.

Friedensvertragsverhandlungen im Zug

Am 2.7. fanden in Villach-Warmbad im Zug erste Vermittlungsgespräche zwischen dem Slowenischen Staatspräsidenten Kućan und dem deutschen Außenminister Genscher statt. Dafür wurde ein eigener Sonderzug samt Konferenzwagen und einer JŽ 664 bis nach Villach geführt. In weiterer Folge wurde sowohl in Warmbad-Villach als auch im Zug am Großverschiebebahnhof Villach Süd verhandelt. Bei der Rückkehr des Zuges nach Jesenice gab es wiederum einen Fliegeralarm und selbst der Slowenische Staatspräsident musste kurzzeitig in Sicherheit gebracht werden. Am 7.7.1991 unterzeichneten die Kriegsparteien das Brioni-Abkommen, das die bewaffneten Auseinandersetzungen in Slowenien beendete und den Grundstein zur Unabhängigkeit legte. Ab 8.7.2011 kehrten schließlich die ÖBB-Loks wieder in den kleinen Grenzverkehr zurück.

Nur durch die unbürokratische Zusammenarbeit aller beteiligten Eisenbahner war es möglich, dass die Bahnverbindung zwischen Jesenice und Rosenbach als einziger internationaler Verkehrsweg in Richtung Slowenien geöffnet blieb.


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