Die Italienischen Staatsbahnen beschafften weit über tausend zweigeteilte sechsachsige Lokomotiven, die vom Zweiten Weltkrieg bis zum Millennium das Rückgrat im Bahnverkehr in Italien stellten.
Die dritte Generation. Die E 656 (Seicinquantasei) war die letzte Generation der in Italien weitverbreiteten zweigeteilten sechsachsigen Universallokomotiven. Mit einem Dienstgewicht von 120 Tonnen zählen die insgesamt 461 Lokomotiven dieser Baureihe zu den absoluten Schwergewichten auf dem italienischen Streckennetz. Neben der E 636 prägte die E 656 den Bahnbetrieb in unserem südlichen Nachbarland wie kaum eine andere Lok.
Winterdienst. Die Loks der Reihe E 656 waren in Italien weithin verbreitet und kamen im hochwertigen Personenverkehr zum Einsatz (c)ÖBB/ Christoph Posch
Elektrifizierung
In Italien begann schon sehr früh die Elektrifizierung des Streckennetzes. Doch das Problem war die Technik. Um die Jahrhundertwende rollten die ersten elektrischen Fahrzeuge ans Netz. Die Anwendung des optimalen Stromsystems war damals das Hauptproblem. Man versuchte mit verschiedenen Techniken das Auslangen zu finden und landete schließlich beim in Norditalien weitverbreiteten Drehstromsystem. Erst zu Beginn der 1920er-Jahre konnte im Großraum von Neapel eine Probestrecke mit 3.000-Volt-Gleichstrom aktiviert und mit der E 626 eine erste sehr brauchbare Lokomotive für das italienische Streckennetz entwickelt werden. Die sehr schweren elektrischen Bauteile erforderten auch eine robuste und sechsachsige Bauweise der einzusetzenden Lokomotiven. Die Elektrifizierung in Italien ging rasch vor sich, einerseits im Drehstromsystem und andererseits wurden die Oberleitungen auch mit 3.000-Volt-Gleichstrom gefüttert. Natürlich stieg auch der Bedarf an brauchbaren Elektrolokomotiven rasant. Mit den über die Jahrzehnte gestiegenen Leistungsanforderungen wurde Mitte der 1960er-Jahre
eine weitere Beschaffung notwendig. Aufgrund der zahlreichen Streckenneu- und
-ausbauten wurde ein anspruchsvolles Leistungsprofil festgelegt.
Flottenverstärkung
Die neuen Fahrzeuge sollten mindestens 150 km/h und eine Anfahrzugkraft von über 200 kN erreichen. Damit wären sie sowohl für den schweren Güterverkehr als auch für den Schnellzugverkehr bestens geeignet. Die italienische Industrie entwickelte hierauf eine den traditionellen italienischen Baugrundsätzen entsprechende Lokomotive, die als vierte Generation von zweigeteilten Loks in Italien als E 656 bezeichnet wurde. In denselben Beschaffungszeitraum fielen auch die vierachsigen Hochgeschwindigkeitsloks der Reihe E 444. Mit dieser Loktype wurden auch Namen für die Loks eingeführt. Während die E 444 als „fliegende Schildkröte“ (Tartaruga) bezeichnet wurde, erhielt die neue E 656 den Kosenamen „Caimano“, das „fliegende Krokodilchen“. Als Erste ihrer Baureihe wurde 1975 die E 656.023 an die Italienischen Staats- bahnen (Camporosso in Valcanale 1999) übergeben. Die erste Bauserie umfasste übrigens 105 Lokomotiven, die bis 1979 an die FS (Ferrovie dello Stato) übergeben wurden. Bis 1990 wurden insgesamt 461 Lokomotiven an die Italienischen Staatsbahnen abgeliefert, die von quasi allen namhaften Herstellern in Italien mechanisch und elektrisch gefertigt wurden. Die letzte Bauserie von 58 Lokomotiven, die zwischen 1988 und 1990 abgeliefert wurden, erhielt eine Vielfachsteuerung, mit der es möglich war, zwei Loks nur von einem Führerstand zu steuern bzw. als Wendezuglok zu agieren. In Italien wurde das Wendezugsystem bereits in den späten 1950er-Jahren eingeführt und stetig ausgebaut.
Einsatz
Die E 656 verdrängten sehr bald alle Vorgängerbaureihen von höherwertigen Einsätzen. Aufgrund der Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h (160 km/h bei der letzten Bauserie) wurden die Loks von Anfang an im hochwertigen Schnellzugsverkehr in Italien eingesetzt.
Aber auch im schweren Güterverkehr wurden die E 656 sehr bald zur Gallionsfigur. Auf der Brennerbahn fuhren die Seicinquantasei im Tandem die schwersten Güterzüge gen Österreich, bis sie Mitte der 1990er von den E 652 abgelöst wurden. Lange Jahre wurden die E 656 im schnellen Intercity-Verkehr eingesetzt, bis die Ablöse durch die noch schnelleren E 402 erfolgte. Dennoch konnten die Italienischen Staatsbahnen auf die Caimano-Loks im hochwertigen Einsatz bis kurz nach der Jahrtausendwende nicht verzichten. Erst mit der Ablieferung von wesentlich moderneren Loks begann der Stern der E 656 zu sinken. Während um 2010 alle Vorgängerbauarten aufs Abstellgleis rollten, waren die Caimano- Loks noch unverzichtbar – und das sind sie bis heute noch. Im Güterverkehr sind sie übrigens heute als E 655 unterwegs und erreichen nach wie vor die österreichisch-italienischen Grenzbahnhöfe von Tarvis (Tarvisio Boscoverde) und Brenner (Brennero).
Namensloks. Die E 656 wurden als „fliegende Krokodilchen“ bezeichnet und hatten beidseitig jeweils ein illustriertes Maskottchen. (c) ÖBB/ Christoph Posch
E 656 – Caimano
Baujahre: 1975–1990
Stückzahl: 461
Achsfolge: B0’B0’B0‘
Leistung: 4.420 kW
Geschwindigkeit: 150 km/h
(160 km/h)
Gewicht: 120t
Fotos: Christoph Posch (Tarvisio Citta 1999)