Zwischen 1970 und 1982 beschaffte die Deutsche Reichsbahn in der damaligen DDR nicht weniger als 873 Großdieselloks einer völlig neuen Baureihe, deren Baumusterlok 1970 bei der Leipziger Messe als V 300.001 vorgestellt wurde.
Mit der Beschaffung der V 200, der späteren DR-Baureihe 120 (Taigatrommel), glaubte man, einen geeigneten Ersatz für die noch in großer Zahl eingesetzten Dampflokomotiven in der DDR gefunden zu haben. Jedoch erwiesen sich die V 200er in Teilbereichen als zu schwach und es musste eine noch größere und vor allem stärkere Lokomotive her. Die Lokomotivfabrik Worowschilowgrad in Luhansk (im heute heftig umkämpften Separatistengebiet in der Ukraine) entwickelte sehr bald nach dem Erscheinen der M 62 eine weitere sechsachsige Großdiesellok, die ausschließlich für den ostdeutschen Raum vorgesehen war.
Rückführung. Vor dem Stift Melk sind die DB 232.462 und 051 auf dem Weg retour nach Deutschland. (c)ÖBB/Nährer
Neue Leistungsklasse
Die schnelle Ablöse der Dampfloks wurde unter anderem deshalb angepeilt, weil man vorhatte, auf lange Zeit günstiges Erdöl aus der UdSSR zu beziehen. In anderen europäischen Ländern (auch osteuropäischen) setzte man zunehmend auf die elektrische Traktion. Die DDR verfügte im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland kaum über elektrisch betriebene Bahnstrecken. Die damaligen Granden hatten die Elektrifizierung auch gar nicht auf dem Plan, da man zusätzlich über entsprechende Strombezugsquellen nachdenken hätte müssen. Also nahm man die höheren Betriebskosten des Dieselbetriebs in Kauf und man dachte, mit den geringeren Erdölkosten die Kostendifferenz kompensieren zu können. Während die eigene Diesellokindustrie die notwendigen Vorgaben nicht zuverlässig erfüllen konnte, setzte man wiederum auf „Mütterchen Russland“ mit seiner robusten Lokomotivmanufaktur.
Auf Vorgaben der DR wurde schließlich die V 300 entwickelt und bis 1982 in 873 Exemplaren in vier Unterbaureihen geliefert. Mit bis zu 2.940kW Stundenleistung sollte diese Lok für die gestiegenen Erfordernisse zur Ablösung der Dampflokomotiven geeignet sein. Bereits 1970 wurde die V 300.001 der Fachwelt auf der Leipziger Messe präsentiert.
In der Sowjetunion wurde dem Bau der V 300 ebenfalls besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Man strebte unter anderem auch Exporte in andere Länder an. Bedingt durch die Tatsache, dass die Ludmilla hauptsächlich für den Betrieb auf deutschen Gleisen ausgelegt wurde, war es entsprechend schwer, weitere Abnehmer zu finden. Jedenfalls beschafften die Tschechischen Eisenbahnen (CSD) zwei Fahrzeuge und die Bulgarischen Staatsbahnen (BDZ) nochmals 90 als Reihe 07. Die beiden tschechischen Loks wurden schließlich nach Bulgarien abgegeben und es entstand aus ihnen die BDZ 07-091. Nur mit den Lieferungen in die UdSSR selbst war man etwas zu optimistisch. Einige Ludmillas konnten lediglich bei verschiedenen Industriebetrieben in der Breitspurversion Fuß fassen.
Sammler. Im Güterzugeinsatz auf der Aspangbahn und Wechselstrecke. (c)ÖBB/Nährer
Ludmillas heute
In der DDR stellten die Ludmillas die leistungsfähigsten Dieselloks der Flotte dar. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands, und letztlich auch der beiden Bahngesellschaften, waren die Ludmillas von den deutschen Gleisen (auch im ehemaligen Westdeutschland) nicht mehr wegzudenken.
Nach wie vor stehen einige Hundert Lokomotiven vorwiegend im schweren Güterverkehr täglich im Einsatz. Aber auch ihr Stern sinkt mehr und mehr, denn durch die geänderten Güterverkehrsströme und durch den Einsatz von moderneren Fahrzeugen wird ihr Einsatzgebiet immer kleiner. Auch in Bulgarien zählen die 07 zu den gefährdeten Baureihen, da sich ihr Einsatzgebiet durch die umfangreichen Streckenmodernisierungen samt Elektrifizierung immer mehr verkleinert.
Noch kann man die imposanten Fahrzeuge vor allen Zuggattungen auf Haupt- und Nebenstrecken finden. Ein neues Aufgabengebiet haben zahlreiche Ludmillas in Polen bei privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen gefunden. Mehrere Dutzend dieser interessanten Lokomotiven verrichten ihren Dienst vor schwersten Güterzügen. Auch in Rumänien werden Ludmillas von der Deutschen Bahn im Güterverkehr eingesetzt. Zuletzt waren auch mehrere Loks für die GySEV im Intercityzugdienst im Einsatz.
Ludmillas bei den ÖBB
Kurz vor der Anlieferung unserer Streckendieselloks der Reihe 2016 kam es zu einem Engpass an Diesellokomotiven. Bei der Deutschen Bahn wurde man schnell fündig und es verschlug bis zu sechs Lokomotiven in den Großraum Wien, wo diese Fahrzeuge wiederum im schweren Güterzugdienst eingesetzt wurden.
Ludmilla V300 ff
Baujahre: 1970–1982
Achsfolge: Co’Co‘ de
Dienstgewicht: 122–124,7 t
Stundenleistung: 2.200–2.940 kW
Höchstgeschwindigkeit: 100/120/140 km/h
Motor: Kolomna 5D49/16 Tsch N 26/26
Fahrmotore: 6