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So entsteht der Cityjet: Ein Tag in der Werkstätte Jedlersdorf

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Am 25. September ist die Montage der neuen Züge in der Technische Services (TS)-Werkstätte in Jedlersdorf gestartet worden. Seither wird dort auf Hochtouren an den neuen Nahverkehrsflitzern gearbeitet. Wir haben den Jedlersdorfer Technikern dabei einen Tag lang über die Schultern geschaut

Die knallroten Cityjet-Shirts werden von den Jedlersdorfer TechnikerInnen mit sichtbarem Stolz getragen. Seit Ende September werden in Jedlersdorf bereits die ersten Cityjets zusammengebaut. Zwischen den einzelnen Arbeitsständen ist schon der Teufel los. „Neun Montageschritte sind notwendig, um aus mehreren Tausend Einzelteilen einen Cityjet zusammenzubauen“, erklärt Fertigungsleiter Josef Krispel. Das wollen wir genau wissen und haben uns einen Tag lang unter die Jedlersdorfer TechnikerInnen gemischt. „S1“, „D6“ oder „SM2“. Das sind die ersten Dinge, die wir zu sehen bekommen. Keine Geheimcodes, sondern bloß verschiedene Bezeichnungen für die Innenisolierung. Alle Sektoren, die zu isolieren sind, werden markiert und entsprechend durchnummeriert. Auf den vorher zugeschnittenen Isolierungsteilen finden sich die gleichen Abkürzungen. Die mehr als siebenhundert Teile können somit relativ einfach zugeordnet und zügig montiert werden. Die einzelnen Isolierungen werden mit dem Wagenkasten verklebt, die Kanten zusätzlich mit einem Aluminiumklebeband abgedeckt. Die Deckenteile werden zusätzlich von 240 Nägeln gehalten.

Nach Plan. Die Bereiche für die Innenisolierung werden markiert (c)ÖBB/Moitzi

Absolute Genauigkeit

Ganz schön viel Aufwand und auch nicht ganz ungefährlich. Staunend sehen wir zu, wie Gerhard Gross die Isolierungsteile einen nach dem anderen auf die zentimeterlangen Nägel drückt. Aber zum Glück bohren sich die Nägel nur durch die Isolierung. Und nicht durch seine Hände. Für Teamleiter Reinhard Stacher ist mit dem letzten Stück Aluminiumband der erste große Block abgeschlossen. Zeit zum Verschnaufen bleibt aber kaum, steht doch schon die Montage des Fußbodens am Programm. Die fertig zugeschnittenen achtzehn Millimeter starken Fußbodenplatten werden genau nach Anleitung und mit einer Dämmung aus Sylomer verlegt. Ein paar Gleise weiter arbeiten die Bodenleger. Bahn um Bahn nimmt der Fußboden Gestalt an. Dicke Masken schützen vor den scharfen Dämpfen des Klebers. Hier ist absolute Genauigkeit gefragt. Denn ist der 1,21 Meter breite Fußbodenbelag einmal mit dem Wagenkasten verklebt, gibt es kein Zurück mehr. Somit müssen die mehr als zehn Meter langen Bahnen vollkommen gerade ausgerichtet werden, damit sie über die gesamte Länge exakt Naht an Naht zu liegen kommen. Einziges Hilfsmittel: eine Hilfslinie am Boden. Bei den Stufen wird es noch kniffliger. Aber mit Stanley- und Hakenmesser sowie leistungsstarkem Industriefön schmiegt Christoph Skucek den dicken Belag exakt um jede Kante. Ganz wichtig für alle Klebearbeiten: die richtige Luftfeuchtigkeit. Dafür sorgen jetzt acht riesige Luftbefeuchter, die in der Dachkonstruktion verbaut sind und liebevoll „UFO“ genannt werden.

Klebrige Sache. Mehr als zehn Meter lange Bahnen werden verlegt (c)ÖBB/Moitzi

Danach geht es für den Cityjet erstmals einen Stock in die Höhe. Für den Einbau von Druckluftverrohrung, Unterflurkomponenten sowie der Innenausstattung müssen die Wagen angehoben und dabei vollkommen waagrecht ausgerichtet werden. „Werden Führerpult, Türen oder Wandverkleidungen schief montiert, könnte es beim Aufsetzen des Wagens zu beträchtlichen Spannungen und damit zu unliebsamen Überraschungen kommen“, erklärt uns Teamleiter Reinhard Breithut. Also wird der Wagen mithilfe eines Lasers genau ausgerichtet, bevor die Arbeiten beginnen. Ein Teil der Mannschaft verlegt unter dem Wagen die zentimeterdicken Druckluftrohre. Praktischerweise sind die schon genau vorgebogen. Auch alle anderen Teile liegen wie ein überdimensionaler Bausatz parat: Druckluftbehältermodule, Batteriekästen oder elektrische Schiebetritte. Daneben genaue Arbeitsanweisungen – eine Menge Papier, aber dafür echt praktisch.

Dacharbeitsstand

Wir huschen kurz noch einmal zum Montageabschnitt eins. Dort werden am Dach die fingerdicken Hochspannungsleitungen verlegt. Vom Dacharbeitsstand hätte man einen guten Überblick über die Werkstätte. Doch Julia Zinsmeister und Manfred Sterzinger haben dafür keinen Blick übrig. Schließlich müssen sie Hunderte Meter Kabeln verlegen und an die einzelnen Dachaggregate anschließen. Sind alle Leitungen verlegt, kommen die dicken Brummer zum Zug. Klimaanlagen, Transformator oder Energieversorgungsanlage warten schon darauf, mit dem Kran exakt am Dach positioniert und danach befestigt zu werden. Zurück zum vorigen Wagen. Im Wageninneren muss eine Vielzahl an Kabeln rein. Vier bis fünf Leute braucht es, um die rund fünfzig Kilo schweren Kabelstränge in die dafür vorgesehenen Schächte zu wuchten. Dafür geht es dann einfacher – denn die jeweiligen Steckverbindungen sind bereits vormontiert.

Das Anschließen der elektrischen Kabel braucht viele Hände (c)ÖBB/Moitzi

Zwei Arbeitsstände weiter ist bereits die Innenausstattung an der Reihe. Die Konsolen für die Deckenelemente sind inzwischen befestigt und darauf die Klimasäcke montiert. Klimasäcke? Ja, beim Cityjet strömt die Luft nicht durch Metallschächte, sondern durch Säcke aus beschichtetem Textilgewebe. Parallel dazu wird auch schon fleißig geputzt, weil auf den Fensterrahmen die Klettbänder zur Befestigung der Seitenwandverkleidungen aufgeklebt werden müssen. Ist der Kleber ausgehärtet, werden die einzelnen Wandelemente in ein Aluminiumprofil eingesetzt, genau ausgerichtet und die Klettbänder durch gezielte Schläge mit dem Gummihammer miteinander verbunden. An der Stirnseite des Wagens arbeiten Michelle Schneider und Roman Schmid noch oben ohne. Ohne Dach nämlich. Bevor die Führerstandshaube verklebt werden kann, muss der Führerstand fertig sein. Per Stapler werden die großen Schaltschränke in den Führerstand gehoben und angeschlossen. Ein bisschen eng ist es hier schon und auch die dicken Kabelstränge wollen sich nicht immer gleich so biegen lassen, wie sie eigentlich sollen. Doch schlussendlich werden alle am vorgesehenen Platz landen.

Einbau Führerpult

Gerne hätten wir auch noch die nächsten Arbeitsschritte mitverfolgt: den Einbau des Führerpultes, die Montage der Crashelemente, das Verkleben der Führerstandshaube oder den Einbau von Sitzen, Innenbeleuchtung und Deckenverkleidung. Aber das wird wohl an einem einzigen Tag nix. Schließlich braucht es rund 3.000 Arbeitsstunden, um einen kompletten Cityjet zu bauen. Wir sind gespannt, was sich noch alles verändern wird. Weil dann kommen wir wieder und werden hoffentlich auch den Rest sehen können.

Die Montage einer Cityjet-Garnitur dauert rund 3.000 Arbeitsstunden (c)ÖBB/Moitzi

INFOBOX Cityjet-Montage

  • Montagebeginn in Jedlersdorf: 25. September 2015
  • Montageende Ende 2017
  • Bis Ende 2017 Montage von 80 der 101 Züge
  • Ca. 3.000 Arbeitsstunden pro Garnitur
  • Fertigung ist unterteilt in insgesamt neun Montageabschnitte
  • Fertigung von bis zu acht Zügen parallel
  • Gesamtdurchlaufzeit pro Garnitur: 42 Tage
  • Investitionssumme rd. 6,5 Mio. Euro, davon 2,2 Mio. Euro für Assembling und 4,3 Mio. Euro für Einzelwagen-Inbetriebsetzung sowie Heavy Maintenance

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